Standard oder Ausnahme?!?
Diabetes mellitus Typ 1
Als ich mit 47 Jahren im Rahmen der zweijährigen Routineuntersuchung die Diagnose Diabetes mellitus aufgrund eines HbA1c von 6,2 von meiner Hausärztin erhielt, war ich sehr geschockt. Sie sagte dem Sinne nach: „Sie müssen sich mehr bewegen. Paar Kilos abnehmen. Und ich schreibe Sie in ein Programm von den Krankenkassen ein, DMP (Disease-Management-Programm). Dort gibt es spezielle Schulungen für Typ 2 Diabetiker und Sie haben Anspruch auf regelmäßige Kontrolluntersuchungen.“
Ich hatte sofort die vielen Folgeerkrankungen im Kopf, von denen man überall lesen kann: Amputierte Zehen und Füsse, Blindheit, Herzinfarkt, Schlaganfall, Dialyse. Ich überlegte, ob ich mich schlecht ernährt sowie zu wenig Bewegung hatte und ob ich zu dick war. Naja, Letzteres traf schon ein wenig zu: Die Waage zeigte ein paar Kilos zu viel Wohlstandsspeck an. Die anderen Fragen konnte ich jedoch verneinen. Also, noch besser ernähren. Nicht nur Bio, sondern noch weniger Fleisch, noch mehr Gemüse, weniger Fett und weniger Kohlehydrate. Dazu schnell im Sportstudio angemeldet, sich einen Hometrainer gekauft und mit den Hunden nun noch größere und häufigere Runden am Tag in Wald und Flur drehen. Gesagt getan.
Zwei Monate später Untersuchung bei einem Internisten
Als ich ca. zwei Monate später bei einem Internisten war, der mir Blut abnahm für ein Blutbild sagte dieser dem Sinne nach wörtlich: „Sie wissen ja, dass Sie Zucker haben. Nur in diesem Quartal haben Sie den ersten Preis gewonnen. Normalerweise haben meine Patienten Zuckerwerte um ca. 8,0, manche schaffen auch 7,5, aber die meisten liegen drüber. Doch Sie haben mit 12,7 HbA1c wirklich einen Spitzenwert. Sie müssen unbedingt etwas tun. Sie müssen zu einem Diabetologen.“ Als ich sagte, dass ich vor rund zwei Monaten noch einen Wert von 6,2 hatte und meinen Diabetes-Pass als Beweis vorlegte, war der Arzt sehr verwundert. Doch dabei blieb es auch. – Ich machte mir nach dem Gespräch mit dem Arzt Gedanken, was ich wohl noch alles tun könnte??? Denn schließlich hatte ich noch mehr auf meine Ernährung geachtet, war zwei bis dreimal die Woche im Sportstudio aktiv und drehte täglich meine ca. 5 km Runden mit unseren beiden Hunden. Und dennoch waren meine Zuckerwerte schlechter geworden.
Im Krankenhaus mit Diabetes mellitus
Etwa zwei Monate später fand ich mich im Krankenhaus wieder mit einem eitrigen Abszess und einem Blutzucker von über 400 mg/dl (Normbereich zwischen 70 und 140). Die Ärzte fragten, ob es mir gut ginge und ordneten sofort die Behandlung mit Insulin an. Die Blutuntersuchung ergab einen HbA1c von 14,4.
Wie es der Zufall so will, lernte ich im Krankenhaus auf meiner ersten Station auch eine Diabetikerin kennen. Sie hatte eine Insulinpumpe, womit das Personal allerdings total überfordert war, weil niemand wusste, wie man damit umzugehen hatte. Also verließen sich die Pflegekräfte auf die Diabetikerin, die versicherte, dass sie die Pumpe für die angehende Operation richtig eingestellt hatte. Sie bat, die Pflegekräfte lediglich, die Pumpe nach der Operation wieder anzulegen und zu aktivieren. Wie mir die Diabetikerin erzählte, hatte sie seit einigen Jahren wohl aufgrund einer Lungenentzündung einen Typ 1 Diabetes und war zu einer geplanten Operation im Krankenhaus. Von der Diabetikerin erfuhr ich alles Mögliche über Diabetes und sie empfahl mir auch wärmstens ihren Diabetologen. Wir verabredeten in Kontakt zu bleiben.
Während des Aufenthalts auf dieser Station bekam ich ausschließlich Bolus-Insulin. Zu diesem Zeitpunkt kannte ich mich allerdings mit Insulinen überhaupt nicht aus. Die Krankenschwestern anscheinend auch nicht. Denn sie verabreichten mir das Insulin ausschließlich aufgrund der Anweisung aus der Inneren Abteilung.
Zunächst erhielt ich also das Insulin von den Krankenschwestern auf dieser Fachstation bis mein eitriger Abszess abgeheilt war. Danach wurde ich dann zur sogenannten Einstellung des Diabetes auf die Innere Station verlegt.
Erlebnisse mit Diabetes mellitus auf der Fachstation im Krankenhaus
Dort gab es auch einen Diabetologen. Bei der Visite sagten mir Oberarzt, Stationsarzt und Assistenzarzt nochmals, ich müsse auch die Tabletten für den Diabetes nehmen, denn ich hätte schließlich eine Insulinresistenz. Und ich wüsste doch sicherlich, dass Insulin dick machen würde. Schließlich würde den Mast-Schweinen Insulin gespritzt, damit sie mehr fressen und schneller fett werden.
Mein Bauchgefühl aber sagte mir: Bei so hohen Zuckerwerten benötigst Du nur Insulin und keine Tabletten. Der Bauch überzeugte den Kopf, der war sowieso Ärzten und Krankenhäusern gegenüber immer etwas skeptisch. Denn letztendlich sind sie auch nur Menschen.
So sagte ich den Ärzten, dass ich ausschließlich mit Insulin behandelt werden möchte und lehnte das Medikament Metformin, welches bei der Behandlung von Diabetes Typ 2 grundsätzlich verordnet wird, ab.
Auch die sogenannte „Magenschontablette“ (sogenannte Protonenhemmer), deren Sinn ich nicht verstand und die alle Patienten in diesem Krankenhaus prophylaktisch bekamen, wollte ich nicht nehmen. Ich hatte schließlich keine Magenprobleme. Dies alles führte zum Eintrag in meine Krankenakte: Patientin verweigert die Medikation. Denn falls etwas passieren sollte, konnte man nachweisen, ich bin selbst schuld.
Ich bekam dann zwei Insuline, ein langwirksames und ein schnell wirksames. Das langwirksame Insulin (Verzögerungsinsulin oder Basalinsulin) mußte ich zweimal am Tag in die Beine spritzen, morgens und abends. Das schnell wirksame Insulin (Bolusinsulin) vor den Mahlzeiten in den Bauch.
Ärztlich wurden Protaphane (Basalinsulin) und Humalog (Bolus-Insulin) verordnet. Doch schon am zweiten Tag hatte ich erheblich geschwollene Beine von unten bis oben, ich konnte kaum noch gehen. Schnell stellte ich fest, dass die Schwellungen der Beine immer dann schlimmer wurden, wenn ich das Bolus-Insulin Humalog in den Bauch gespritzt hatte. Ich machte die Ärzte bei der Visite darauf aufmerksam und bekam dann ein anderes Insulin verordnet. Man sagte mir aber auch: Der Nachteil dieses anderen Bolus-Insulins sei, dass man mindestens 30 Minuten vor der Mahlzeit spritzen müsse, während beim Humalog sofort die Mahlzeit eingenommen werden könne. Von diesem Zeitpunkt an bekam ich Actrapid als Bolus-Insulin. Nach kurzer Zeit waren die Beinschwellungen verschwunden. Die 30 Minuten Wartezeit nahm ich gerne in Kauf, konnte ich doch nun wieder gehen.
Während ich auf dieser Station war, wurde ich jede Nacht um 3.00 Uhr morgens geweckt, um den Blutzucker zu kontrollieren. Nachts zwischen 2.00 Uhr und 3.00 Uhr morgens erreicht der Blutzucker seinen tiefsten Wert. Manchmal musste ich dann einen Joghurt essen, weil die Werte zu niedrig waren. – An einem Morgen, so gegen 6.30 Uhr, hatte ich meine erste Unterzuckerung im Leben: Es wurde ein Wert von 51 mg/dl gemessen. Die Krankenschwester wollte schnell einen Joghurt holen, doch hatte ich Traubenzucker in der Tasche. Später lernte ich in der Schulung, dass ein Joghurt nicht zu den schnellen Kohlehydraten gehört, die bei einer Unterzuckerung eingenommen werden sollten. Schnelle Kohlehydrate sind beispielsweise Fruchtsäfte, Gummibärchen, Traubenzucker oder gezuckerte Limonaden.
Anfang der zweiten Woche auf der Inneren Station war auch der Diabetologe, der die Station als Chefarzt leitete, bei einer Visite mit den anderen Ärzten dabei. Ich erzählte ihm davon, dass meine Hausärztin bei einer Routineuntersuchung vor knapp 5 Monaten einen Durchschnittszucker von 6,2 (HbA1c) festgestellt habe und dass bei einer weiteren Untersuchung zwei Monate später ein Durchschnittszucker von 12,7 (HbA1c) ermittelt worden sei und dann hier im Krankenhaus ebenfalls 2 Monate später ein Wert von 14,4 (HbA1c).
Gewundert hat sich der Diabetologe über diese schnelle Steigerung der Zuckerwerte in diesen paar Monaten nicht. Obwohl dieser rasche Anstieg der HbA1c-Werte wie im Lehrbuch darauf hinweist, dass es sich eher um einen Diabetes mellitus Typ 1 handeln könnte. Ein Test wurde ebenfalls nicht gemacht. Damals habe ich allerdings nicht viel zum Thema Diabetes mellitus gewusst. Die Inkompetenz des Diabetologen wäre mir ansonsten an dieser Stelle sofort aufgefallen. Was mich allerdings sehr verwunderte, war, dass sich einige Krankenschwestern mit dem Thema anscheinend besser auskannten als die Ärzte. Eine Krankenschwester sagte mir beispielsweise, dass ich das Basis-Insulin abends so spät wie möglich spritzen sollte, damit ich morgens einen guten Wert hätte.
Für das Leben mit Diabetes mellitus Typ 2 gerüstet
Nach einer weiteren Woche wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich hatte immerhin gelernt mit einem sogenannten Pen zu spritzen und meinen Blutzucker zu messen. Ferner hatte ich ein Schema erhalten, wieviel Insulin ich wann spritzen musste. Darüber hinaus hatte mir der Diabetologe noch zwei wichtige Hinweise mit auf den Weg gegeben: „Wenn ihr Blutzucker unter 140 mg/dl ist und Sie Auto fahren wollen, essen Sie vorher noch was.“ „Alle Lebensmittel, aus denen man auch Schnaps brennen kann, enthalten Kohlehydrate.“
Ich war nun also bestens gerüstet für mein zukünftiges Leben mit dem Diabetes mellitus Typ 2.